Nie wieder Wembley

Die Torlinientechnik: Stimmungskiller am Kneipentisch?

Mit dem Einzug der Technik in den Fußball könnten viele umstrittene Torraum-Szenen der Vergangenheit angehören: Das Wembley-Tor etwa im WM-Finale 1966 – es hätte nie gezählt, und die fußballerische Rivalität zwischen Deutschland und England wäre um eine Episode ärmer.

Viele Fans fürchten daher, dass die Technik den Fußball langweiliger macht. Dass Computersysteme Emotionen verdrängen könnten. Dass sie in der Kneipe bald nicht mehr über (mögliche) Fehlentscheidungen des Schiris streiten können. Kurz: Dass die Zukunft des Fußballs wirklich in einer Sackgasse liegt.

"Anfragen aus aller Welt": GoalControl-Chef Dirk Broichhausen. Foto: Euteneuer

Bekommt Anfragen aus aller Welt: GoalControl-Chef Dirk Broichhausen. Foto: Euteneuer

Dabei werden die Schiedsrichter wohl weit seltener die Technik nutzen müssen, als das viele Fans befürchten. Für die Bundesliga gibt es keine verlässlichen Zahlen, wie viele Tore pro Saison aufgrund falscher Zentimeterentscheidungen gegeben oder nicht gegeben werden. Der britische Journalist Tim Long hat jedoch die Entscheidungen der englischen Premier League Saison 2011/2012 untersucht. Sein Ergebnis: In den insgesamt 380 Fußballspielen kam es zu 18 Fällen von sogenannten „goalline controversies“, also umstrittenen Torszenen. Dabei entschieden die Schiedsrichter 14 Mal korrekt, zweimal war die Szene trotz Zeitlupe nicht exakt aufzuklären, und nur zweimal war die Entscheidung nachweislich falsch.

Einsatz bei der WM 2014
Beim Confed-Cup im Juni wurde das System noch nicht auf die Probe gestellt, es gab keine kritische Torlinienentscheidung. Die Fifa war trotzdem zufrieden und gab grünes Licht für die WM 2014. Generalsekretär Jérôme Valcke sagte: “Wir wollten sehen, wie es funktioniert – und es hat gut funktioniert. Und wenn etwas funktioniert, warum sollte man es dann verändern?” Immerhin halfen die Kameras dabei, einen Torschützen eindeutig identifizieren: Im Spiel um Platz drei zwischen Uruguay und Italien hatte Davide Astori den Ball noch auf der Linie ins Tor gedrückt. Ob der Ball davor die Linie schon überquert hatte, war mit bloßem Auge nicht zu erkennen gewesen.

Dass ausgerechnet eine Firma aus dem Rheinland jene Technik liefert, die in Zukunft über Siege und Niederlagen, Jubel und Trauer mitentscheiden wird, ist Dirk Broichhausen zu verdanken. Der hatte die Entwicklung der Torlinientechnik 2009 angestoßen. Damals arbeitete er für Pixargus, eine Firma, die mit Kameras die Qualität zum Beispiel von Schläuchen und Dichtungen während der Produktion überwacht. Broichhausen, selbst Fußballfan, sah damals in einem Zweitligaspiel einen Schuss, der zwar deutlich hinter der Linie landete, der Schiedsrichter jedoch pfiff kein Tor. Am nächsten Tag ging er zum Chef-Entwickler in der Firma und fragte:

„Können wir einen Ball detektieren?“

„Was für einen Ball?“

„Einen Fußball.“

„Schwierig, aber warum denn nicht, sollte gehen!“

GoalControl bald auch in der Bundesliga? – Mehr dazu auf Seite 3.

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