Innovationsstau im OP
Dank der Digitalisierung wissen Ärzte so gut über das Innenleben ihrer Patienten Bescheid wie noch nie. Wie die Technologie die Mediziner unterstützt, erfahren Sie hier.
Im Bild sehen Sie eine Gehirn-Operation. Für Infos zu Personen und Geräten fahren Sie mit der Maus über die roten und gelben Punkte in der Grafik. Rot steht für Geräte, Gelb für Personal.
Trotz beeindruckender OP-Technik sind Chirurgen und Medizintechniker mit dem Erreichten alles andere als zufrieden. Die Digitalisierung des OP-Saals kommt ihrer Meinung nach nur schleppend voran.
Hans Clusmann, Direktor der Neurochirurgie am Aachener Klinikum, sagt: „Die Arbeit im OP ist oft unkoordiniert und unübersichtlich.“ Denn: Die einzelnen Geräte sind über den ganzen Saal verteilt, bis zu sieben Bildschirme sind gleichzeitig im Einsatz, entsprechend groß ist das Kabelgewirr auf dem Boden. Außerdem muss der Operateur regelmäßig hochgucken, um Werte von anderen Bildschirmen abzulesen, sobald es zu Komplikationen kommt. In einem Büro ist es vollkommen selbstverständlich, Daten und Bilder von einem Monitor auf den anderen zu übertragen, Ärzte können davon an ihrem Arbeitsplatz nur träumen.
Das digitale Cockpit
Das müsse nicht so bleiben, sagt Clusmann. Er wünscht sich statt des derzeitigen Chaos ein „digitales Cockpit“. Mit dessen Hilfe könnte er die wichtigsten Werte auf einem einzigen Bildschirm aufrufen. Das spare Zeit und mache Operationen noch sicherer, sagt der Aachener Mediziner.
Das Problem: Vor allem große Medizintechnikfirmen rüsten ihre Geräte mit eigenen Schnittstellen aus, die nicht zu denen anderer Hersteller passen. Das führt dazu, dass Clusmann sein Mikroskop nicht mit anderen Geräten verbinden kann. Sie passen schlicht nicht zusammen. „In der Medizintechnik fehlen einheitliche Standards“, bestätigt Peter Bursig, Geschäftsführer des Fachverbands Elektromedizinische Technik. „Es gibt eben kein Windows für das Gesundheitssystem.“
Chance für kleine und mittlere Unternehmen
Eine Studie der Deutschen Bank und des Branchenverbands ZVEI erkennt dahinter durchaus eine Absicht. Es bestehe die Gefahr, so die Studie, dass große Unternehmen kleine Mitbewerber durch eigene Schnittstellen vom Markt verdrängen.
Um dieses Problem zu lösen, betreut der Lehrstuhl für Medizintechnik an der RWTH Aachen das OR.Net-Projekt. „Wir wollten verhindern, dass kleine und mittlere Unternehmen nicht in den Markt reinkommen“, sagt Projektleiterin Julia Benzko. Rund 70 Unternehmen, Wissenschaftler und Ärzte haben sich bei OR.Net zusammengeschlossen, um neue Standards für die Medizintechnik zu entwickeln. Mit Ergebnissen rechnen die Teilnehmer in rund drei Jahren.