Digital in sieben Jahren
Der WDR digitalisiert eine Million Videokassetten, um die Filme zukunftssicher zu machen. Der Stolz des Senders: ein Robotersystem, das die Arbeit fast von alleine erledigt.
Adam ist ein Mitarbeiter, wie ein Chef ihn sich nur wünschen kann: Er arbeitet rund um die Uhr, macht Wochenendschichten, führt fast alle Aufträge fehlerfrei aus – und beklagt sich dabei nie über zu wenig Gehalt. Adams Aufgabe: Er digitalisiert die rund eine Millionen Videokassetten des WDR-Archivs. Sieben Jahre wird er dafür brauchen.
Adam steht für „Automated Digital Archive Migration“, was auf Deutsch soviel heißt wie: „Automatisierte Archiv-Digitalisierung“. Adam ist ein Roboter. Sein Reich ist ein kleiner Raum auf dem WDR-Gelände in Köln-Bocklemünd. Dort füttert er mit seinem Greifarm spezielle Digitalisierungsmaschinen mit Videokassetten. Das schafft er 43-mal schneller als ein Mensch. Seit Februar 2011 ist das System im Einsatz und speichert das analoge Filmmaterial auf Festplatten.
Kassettenwagen
Der WDR hat Adam angeschafft, um sein analoges Archiv ins digitale Zeitalter hinüber zu retten. Der Sender lässt sich das einen Millionenbetrag kosten, wie viel genau will er aber nicht verraten. Der Roboter wurde ursprünglich für die Autoindustrie entwickelt und leistet nun für den Zweck der Digitalisierung hilfreiche Arbeit. Der Grund für die Aktion: In absehbarer Zukunft werden die Kassetten nicht mehr abspielbar sein, weil die Abspielgeräte nicht mehr hergestellt werden und die Kassetten verschleißen.
Adam ist nicht wählerisch – genauer gesagt ist es der WDR nicht. Digitalisiert wird fast alles – ohne Aussieben, denn beim Sender will man zumindest fürs Erste auf kein Material verzichten müssen. Also erfasst Adam jetzt von Nachrichtensendungen über Talkshows, Konzertaufnahmen und Mitschnitte von Fußballturnieren das meiste, was in den letzten Jahrzehnten im WDR-Fernsehen zu sehen war. Die ältesten Videoszenen stammen aus der Nachkriegszeit. Jede Kassette wird dabei Eins zu Eins abgespielt – für eine Stunde Film braucht die Maschine eine Stunde für die Digitalisierung. Sechs Maschinen arbeiten dabei parallel und speichern das Material auf Datentapes. Pro Tag bewältigt Adam so über hundert Kassetten.
Wenn Adam mit einer Kassette fertig ist, wandert sie erst einmal zurück ins alte Archiv. Das funktioniert wie eine Videothek: Redakteure bestellen die Kassetten, Mitarbeiter suchen sie in den meterlangen Regalen heraus und sortieren sie dort wieder ein, wenn die Redakteure sie angesehen, überspielt und zurück gebracht haben. Etwa 500 Anfragen erhält das Archiv täglich – das kostet Zeit und Geld.
2018 soll damit Schluss und das digitale Archiv fertig sein. Dann sind Filme und Beiträge aus mehreren Jahrzehnten jederzeit mit ein paar Klicks über das Intranet abruf- und sofort verwendbar. Adam wird dann eine Million Videokassetten auf knapp 2800 Tapes komprimiert haben – das neue Archiv wird also deutlich kleiner sein als das alte. Der WDR muss dann entscheiden, was mit den alten Kassetten geschieht. „Wahrscheinlich werden sie vernichtet“, sagt Reinhard Stöckmann, der technische Leiter. Und Adam selbst? Dem wird die Arbeit so schnell nicht ausgehen, ist sein Chef überzeugt: Andere Rundfunkanstalten haben bereits Interesse an dem Roboter bekundet.