Das Rinder-Net
Auch auf modernen Bauernhöfen stinkt es nach Mist. Im Hintergrund arbeitet aber ein digitales Netz, das viele Abläufe automatisch steuert. Die Kühe entscheiden, wann gemolken wird.
Der Hof von Sebastian Bützler sieht aus wie einer, den man in einer Milchwerbung zeigen würde: Aus dem Stall hört man Muhen, die Hof-Katze sonnt sich neben einem Traktor in der Einfahrt, und auf der grünen Wiese neben dem Bauernhaus weiden Kühe. Hier sitzt aber morgens keine Magd auf dem Melkschemel und melkt die Kühe von Hand. Das wird bei einem Blick in den großen neuen Stall neben dem Bauernhaus schnell klar. Diesen Stall hat Bützler 2011 bauen lassen und ihn mit drei roten Maschinen, so groß wie Autos, ausgestattet: Den Melkrobotern. “Sie haben den Arbeitsablauf auf dem Hof grundlegend verändert“, sagt Bützler stolz. „Es ist purer Luxus, dass ich morgens nicht mehr um fünf im Stall stehen muss, um die Kühe zu melken. Das übernehmen jetzt die Melkroboter“, sagt Bützler.
Damit der Melkroboter die Kühe melken kann, müssen diese in eine kleine Schleuse gehen, an dessen Längsseite der Melkroboter steht. Hier bekommen die Kühe ihr Kraftfutter. Deshalb kommen sie auch häufiger, als sie eigentlich gemolken werden müssten. Der Melkroboter erkennt die Kuh aber anhand eines Transponders am Halsband und überprüft in seiner Datenbank, ob das letzte Melken lang genug her ist. Falls nein, dann gibt es kein Kraftfutter. Gibt die Steuerung Grünes Licht, fährt der Roboter einen Arm aus, der das Euter mit Bürsten säubert und stimuliert. Danach scannt der Roboter das Euter ab und setzt die vier Melkschläuche genau auf die Zitzen. Mit Unterdruck saugt er die Milch aus dem Euter. Dann durchleuchten Speziallampen die Milch aus jeder Zitze einzeln. Sensoren prüfen Farbe und Konsistenz. Sollte die Milch flocken oder Blut enthalten, sind das klare Hinweise auf eine Krankheit. Solche Milch sondert der Roboter aus – und schickt dem Bauern für diese Kuh eine Warnmeldung auf den Computer. Besteht die Milch den Test, pumpt der Apparat sie in einen 15.500-Liter-Tank. Darin wird die Milch gekühlt, bis der Tankwagen der Molkerei kommt.
Das Kontrollzentrum
Rund acht Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland arbeiten bereits mit solchen vollautomatischen Melkrobotern, schätzt Wilhelm Schleer, Produktmanager der Firma Lely. Lely ist ein niederländischer Landmaschinenhersteller, der auch die Melkroboter im Stall von Sebastian Bützler geliefert hat. Die Niederländer haben alle möglichen technischen Raffinessen parat: Halsbänder mit einer Wiederkauerfassung zum Beispiel, bei denen Computer registrieren, wie viel die Kühe kauen. Das ist nützlich, wenn der Bauer die Futtersorte wechselt: So kann er sehen, ob die Tiere das Futter vertragen. Auch Krankheiten lassen sich so früh erkennen. „Der nächste große Trend zeichnet sich bei automatischen Fütterungssystemen ab“, sagt Lely-Produktmanager Schleer. „Beim Stallbau und der Haltung geht der Trend ganz klar zu mehr Kuhkomfort und Tiergerechtigkeit, also zu großzügigeren Ställen, in denen die Tiere viel Bewegungsfreiheit haben.“ Im Rheinland erlebten Melkroboter seit 2005 einen sehr starken Aufschwung, sagt Schleer. Damals brachte die Firma Lely neue und schnellere Melkroboter auf den Markt. Mittlerweile ist jede zweite neu angeschaffte Melkanlage vollautomatisch. Zwar kostet ein Melkroboter bis zu 120.000 Euro, aber vor allem für Familienbetriebe lohnt sich die Investition. „Ich kann mir kein Personal leisten, das mich mal vertritt. Da rechnet sich so eine Anschaffung. Die Roboter arbeiten ja 24 Stunden an jedem Tag“, sagt Landwirt Bützler.
Reinigungsroboter und Kuh-Waschanlage – welche technischen Neuerungen es sonst noch im Kuhstall gibt, erfahren Sie auf der nächsten Seite.
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